WIR Ausgabe 8 Herbst 2025 13 und Kooperation steht für Fälle, in denen sich Konkurrenten meist kurzfristig zusammentun, um ihre eigene Stellung in einem Markt zu verbessern. Sie erkennen also, dass es aus rein egoistischen Motiven besser für sie ist, sich mit der Konkurrenz zu verbünden, als sich mit ihr in einen Kampf zu begeben. Solche Deals halten meist nur für einen begrenzten Zeitraum, zeigen aber, wie egoistischer Antrieb zu einem besseren Ergebnis für beide führen kann – wenn man Egoismus nicht starr als „Ellenbogen ausfahren“ versteht. Die Beweggründe der Händler und Partner sind zunächst einmal geprägt von Eigen- interesse. Deutlich nachhaltiger wird positiver Egoismus im 21. Jahrhundert in Kooperationen und Genos- senschaften sichtbar. Denn seien wir ehrlich: Fast niemand ist eines Tages aufgewacht und hat gesagt, er würde gerne andere Händler in ganz Europa unterstützen und sich deshalb einer Kooperation wie der ANWR GROUP anschließen. Nein, die Beweggründe der Händler und Partner sind zunächst einmal geprägt von Eigeninteresse. Genauer gesagt: Jeder Händler verfolgt seine eigenen wirtschaftlichen Ziele. Trotzdem schafft er oder sie es damit, im Rahmen einer Struktur, die diese individuellen Bestrebungen kanalisiert und verstärkt, sich selbst wie auch die gesamte Gemeinschaft zu stärken. Die große Kunst ist es, den Egoismus auf langfristige Ziele auszurichten und nicht darauf, kurzfristig noch den letzten Euro aus Kunden, Belegschaft und Lieferanten herauszupressen. Der Einzelne muss als Homo oeconomicus agieren, also rational schauen, was ihm langfristig den maximalen Nutzen bringt. Nehmen wir den Sportartikelhändler in einer mittelgroßen Stadt: Er schließt sich einer Koope- ration an, weil er dadurch bessere Einkaufskon- ditionen erhält, professionelle Marketingunter- stützung bekommt und von bewährten Geschäfts- konzepten profitiert. Sein primäres Motiv ist die Steigerung seines eigenen Erfolgs. Doch die Aus- wirkungen reichen weit darüber hinaus: Seine Kunden profitieren von einem besseren Sortiment zu fairen Preisen, seine Mitarbeiter von sicheren Arbeitsplätzen und die lokale Gemeinde freut sich über ein attraktives Einzelhandelsangebot. Motiv: Egoismus. Ergebnis: Gemeinschaft. Denkt man das Konzept des positiven Egoismus zu Ende, ist es für die allermeisten Händler nur logisch, sich einer Kooperation anzuschließen. Denn ein Händler, der Mitglied einer Kooperation wird, erhält Zugang zu besseren Konditionen, professionellem Know-how und einem Netzwerk Gleichgesinnter. Sein „egoistisches“ Motiv – die Verbesserung seiner Geschäftssituation – zahlt automatisch auf das Gemeinschaftskonto ein: Je mehr Mitglieder die Genossenschaft hat, desto stärker wird ihre Verhandlungsposition, desto bes- ser werden die Konditionen für alle. Dieses Sys- tem kann also allen nützen, wenn jeder versteht, dass es in seinem und ihrem höchsteigenen Inter- esse ist, die Gemeinschaft so stark wie nur eben möglich zu machen. Mechanismus ganz selbstverständlich: Händler teilen bewährte Praktiken, Markterkenntnisse und Innovationen miteinander. Nicht aus purer Nächstenliebe, sondern weil sie verstehen, dass eine starke Gemeinschaft jedem Einzelnen nutzt. Es ist ein aufgeklärter Egoismus, der alle voran- bringt. Oder um noch einmal beim Handball zu bleiben: Nur wer vermeintlich selbstlos abspielt, kann sich freilaufen, den Ball zurückbekommen und dann selbst ein Tor werfen. Fürs Team. In der ANWR Gemeinschaft zeigt sich dieser Über Trittbrettfahrer und Alleingänger Aber führen nicht rücksichtsloses Vorgehen und kurzfristige Tricks manchmal sogar schneller zum eigenen Vorteil? Genau hier liegt der wesentliche Punkt. Positiver Egoismus bedeutet nicht, andere zu schädigen, und schon gar nicht, auf Kosten anderer zu wachsen. Das wäre am Ende nicht nur unethisch, sondern sogar ungewollter Selbstboy- kott. Kurzfristig können solche Taktiken zwar wo- möglich einen Nutzen bringen. Langfristig jedoch fahren Unternehmer viel besser damit, Partner- schaften zu pflegen, nachhaltig zu wirtschaften und sich Schritt für Schritt eine loyale Kundschaft aufzubauen.