Basislager Karlsruhe: Wenn die Stammkunden zur Rettung eilen
Fast 40 Jahre Tradition standen auf der Kippe, als sich einer der Eigentümer des Basislagers Karlsruhe zurückziehen wollte. Das Outdoor-Geschäft ist eine Institution in der badischen Großstadt, laut eigenen Angaben hat das Basislager 30.000 registrierte Kunden, dazu kommen viele, die nicht namentlich erfasst sind. Und die sollten jetzt alle bald woanders shoppen müssen? Stefan Krickeberg, einer der Eigentümer, hatte die Idee der Gründung einer Genossenschaft, um diesen besonderen Laden und die immerhin knapp 40 Arbeitsplätze zu erhalten.
Inspiration kam von einem Karlsruher Biosupermarkt, der kurz zuvor einen ähnlichen Weg beschritten hatte bei der Nachfolgesuche. Die neuen Gründer kontaktierten die Kunden, ob sie sich vorstellen könnten, Genossen zu werden. Konnten sie. Innerhalb weniger Monate fanden sich über 1.000 treue Fans, die heute Teil des Projekts sind. „Es hat sich bezahlt gemacht, dass es zu unserer Philosophie gehört, die Kunden als Gäste in unserem Haus zu behandeln“, sagt Mitgeschäftsführer Oliver Scheib. Das bedeutet einen höheren Personaleinsatz als bei vielen anderen Outdoor-Händlern, machte sich aber nun doppelt und dreifach bezahlt. Denn die Kunden liebten das Basislager und waren bereit, sich dort sogar einzukaufen.
Einfach war die Umwandlung der Firma hin zu einer Genossenschaft natürlich nicht. „Die Idee war exotisch, Gerichte, Anwälte und Steuerberater wussten zunächst nicht, wie sie damit umgehen sollten“, erinnert sich Mitgründer Tobias Denda. So verzögerte sich der Wechsel der Unternehmensform, selbst als das nötige Geld schon bereitstand, um etwa zwei Jahre.
Doch das Warten habe sich gelohnt, sind sich die Geschäftsführer sicher. Das Basislager blieb so erhalten und die Bindung der Stammkunden nahm noch einmal zu. Das Tagesgeschäft leitet ein Quartett um Denda und Scheib, das sich einmal im Jahr dem Plenum der Genossen stellt. „Für uns passt diese Arbeitsform super“, resümiert Tobias Denda: „Und ich bin mir sicher, dass auch andere Geschäfte von einem solchen Ansatz profitieren könnten.“
Trink–Genossin: Die Kneipe als demokratische Instinktschule
Am Ende einer langen Nacht hatte wohl jeder schon einmal dieses Gefühl: Eine eigene Kneipe, das wäre es doch. Die Getränkeauswahl selbst bestimmen, jeden Abend in geselliger Runde verbringen, die Freunde kommen vorbei. Einfach da sein, wo jeder den eigenen Namen kennt, um mal die US-Kultserie „Cheers“ zu zitieren. Nirgendwo ist das einfacher als im Kölner Szeneviertel Neuehrenfeld. Dort gibt es seit 2020 die Trink– Genossin, eine Kneipe, die jedem und jeder gehören kann. Sie ist genossenschaftlich organisiert, 280 Mitglieder hat die Trägergesellschaft heute. Und die dürfen über vieles abstimmen, etwa über das Getränkemenü oder darüber, ob ein Brauereisponsoring zur Trink–Genossin passt oder nicht.
Die Idee hatten Kai Berthold und Jan Buckenmayer bereits 2015. „Aber bis es dann tatsächlich gepasst hat mit dem nötigen Kapital und der Immobilie, hat es eine Weile gedauert“, erinnert sich Berthold. Tatsächlich stand am Anfang gar nicht die Idee, eine Kneipe aufzumachen, im Zentrum, sondern die Genossenschaft. „Es ging uns darum, einen Raum zu schaffen, in dem Menschen niedrigschwellig Demokratie erleben können“, sagt er. Das Projekt soll auch ein Gegenpol sein zur allgegenwärtigen Demokratiemüdigkeit und dem verbreiteten Gefühl, dass die Prozesse nicht mehr wirksam sind.
Natürlich steht nicht für jeden der 280 Genossen der Gedanke im Mittelpunkt. „Manche finden es einfach cool, eine eigene Kneipe zu haben“, sagt Berthold. Aber das sei eben der Charme der Genossenschaft, jeder könne sich so einbringen, wie er möchte. Sei es als „bloßer“ Anteilseigner, als regelmäßiger Besucher der monatlichen Plenumssitzungen oder sogar aktiv in und um den Laden. Mit den Genossinnen und Genossen hatte die Trink–Genossin von Anfang an ein eingebautes Stammpublikum. Das rettete die Kneipe auch durch die Coronapandemie, die eine Woche nach dem „Soft Opening“ der Kneipe im ersten Lockdown mündete. Das Engagement der Mitglieder half dabei, die ersten zwei Jahre unter Pandemiebedingungen zu überstehen, und hilft bis heute, den Laden Woche für Woche zu füllen. Auch weil viele Genossen natürlich Freunde mitbringen. Wer will nicht mal gerne „seine“ Kneipe herzeigen? Außerdem gibt es für Genossen satte 20 % Rabatt, da kommt man doch gerne öfter.
Aber auch bei der Trink–Genossin hatten sie damit zu kämpfen, dass viele Stellen einfach nicht wussten, wie man mit so einer Genossenschaft als Kneipenbetreiber umgeht. Plastisch wurde das etwa bei der Frage der Schanklizenz. Die muss immer an eine Person gebunden sein. Anfangs wollten die Trink–Genossen die Lizenz in kurzen Abständen rotieren lassen. „Das hätte aber jedes Mal einen riesigen Aufwand und Kosten, etwa für den Notar, bedeutet“, sagt Berthold. Also rotiert die Lizenz jetzt nur alle zwei Jahre.
Berthold und seine Mitstreiter hoffen, dass ihr Modell Nachahmer findet. Teil der Motivation war es, eine Art Blaupause zu schaffen, die andere nutzen können, um genossenschaftliche Kneipen zu eröffnen. „Vielleicht machen wir da irgendwann ein eigenes Beratungsgeschäft draus“, sagt Berthold.
Football Cooperative Sankt Pauli: Wir kaufen einen Fußballclub
Es fühlt sich immer ein bisschen surreal an, wenn sich der FC St. Pauli mal wieder in die Fußball- Bundesliga verirrt. Denn beim Hamburger Stadtteilclub ticken die Uhren einfach völlig anders als bei anderen Vereinen in der Turbokapitalismuswelt Profifußball. Das Millerntor-Stadion atmet noch den Geist der Sechziger, anders als viele Multifunktionsarenen. Die Fanszene ist explizit politisch und dezidiert links. Und statt auf auswärtige Investoren zu setzen, um den Club aufs nächste Level zu heben, aktivierte der FC St. Pauli vergangenes Jahr lieber die eigene treue Anhängerschaft – über eine Genossenschaft.
Die Football Cooperative Sankt Pauli, wie die Fangenossenschaft heißt, kauft sich allerdings nicht in den Verein selbst ein. Stattdessen geht es ihr um das Millerntor. Die Fangenossenschaft will langfristig die Mehrheit an der Stadionbetreibergesellschaft übernehmen und das Kapital der Genossen einsetzen, um die Baudarlehen zu tilgen. Dafür gab die Genossenschaft ein ambitioniertes Ziel aus: Etwa 30 Millionen Euro an Kapital sollten zusammenkommen.
Ein Ziel, das überraschend schnell erreicht wurde. Im November 2024 begann die Zeichnungsphase für die Genossenschaftsanteile, bereits Ende März 2025 wurde die angepeilte Summe erreicht. 22.623 Mitglieder hatten über 34.000 Anteile zu je 750 Euro gezeichnet. Die Genossen kommen aus 44 Ländern. Unter ihnen befindet sich übrigens auch ein gewisser Uli Hoeneß, Ehrenpräsident des FC Bayern München. Mit dem Geld werden sie sich nun in das Millerntor einkaufen.