Nachfolge

Alisa Pieper hatte eigentlich andere Pläne. Nun führt sie gemeinsam mit ihrem Vater Uwe „Pieper’s Sport Shop“

Jetzt oder Nie

Alisa Pieper glaubt an den Einzelhandel. Deshalb hat sie in Münster die Nachfolge ihres Onkels bei „Pieper’s Sport Shop“ angetreten. Dabei hatte sie eigentlich andere Pläne.

Wenn Erwachsene anderen Kindern ihre Zukunft vorhersagen, geht das meistens schief. Im Falle von Alisa Pieper behielten sie recht: „Machst bestimmt bald die Nachfolge“ oder „Bald übernimmste den Laden“ sagten sie schon als Jugendliche zu ihr. Damals konnte sie das nicht glauben und schmiedete andere Pläne. Anfang 2022 erfüllte sich die Prophezeiung schließlich doch: Seitdem leitet Alisa Pieper in Münster ein Geschäft mit 200 Quadratmetern Verkaufsfläche.

Nach aktuellen Schätzungen geben immer mehr traditionelle Einzelhändler auf, weil der Margendruck zu stark wird und die oft langjährig erfolgreichen Fachgeschäfte keinen Nachfolger finden. 10.000 bis 15.000 Händler suchen laut einer Schätzung des Handelsverbands Deutschland jährlich einen neuen Chef. Warum also hat ausgerechnet Alisa Pieper den Mut zur Nachfolge gefasst?

Die Geschichte von „Pieper‘s Sport Shop“ beginnt im Juni 1986. Uwe Pieper und dessen Bruder Franz-Josef, den in der Region alle nur „Scotty“ nennen, waren in ihrem ersten Berufsleben erfolgreiche Fußballer und hatten es bis in die Zweite Bundesliga geschafft. Uwe bei Preußen Münster, Scotty beim VfL Osnabrück. Nach dem Ende der Karriere eröffneten sie in Münster ein Sportgeschäft.

Ihre ersten Lebensjahre, sagt Alisa Pieper heute, habe sie zu einem guten Teil dort verbracht. Sie spielte mit den Bällen vor Ort und besuchte das Schwimmbad direkt nebenan. Die beiden Pieper-Brüder bauten das Geschäft da gerade zu einer lokalen Erfolgsgeschichte auf, indem sie sich weniger auf Individualkäufer und mehr auf Mannschaften konzentrierten. Wenn die eine neue Beflockung oder einen neuen Trikotsatz brauchen, gehen sie oft zu den Piepers. Fußball, Tennis, Schwimmen: Sie haben bis heute sämtliche Ausrüstung im Sortiment. Diese enge Bindung an die lokalen Vereine ist seit jeher das Fundament ihres Erfolgs. Einmal im Jahr, meist zu Weihnachten, richten sie sogar ein Fest für die Verantwortlichen aus.

„ Ich wollte immer
ein zweites Standbein
haben.“

Alisa Pieper schmiedete derweil beruflich andere Pläne. In der Schulzeit beginnt sie, bei McDonalds zu jobben, weil ihre Freundinnen dort arbeiten, nach dem Fachabitur möchte sie eigentlich studieren. Ihr Vater aber interveniert: Pieper solle erst etwas lernen, danach könne sie gerne studieren. Deshalb beginnt sie eine Ausbildung im Familienbetrieb und steigt danach im Geschäft ein.

Schwierige Entscheidung

Den Wunsch nach einem Studium hat sie aber weiterhin. Also studiert sie berufsbegleitend Wirtschaftspsychologie an der FOM Hochschule. „Ich wollte immer ein zweites Standbein haben“, sagt sie rückblickend. „Falls das mit dem Geschäft nicht funktioniert.“ Unter der Woche arbeitet sie im Laden, am Wochenende lernt sie für das Studium. Und dann erkrankt ihr Onkel im Frühjahr 2020 an Corona. Nach der Genesung entscheidet er, seinen Platz im Laden abzugeben – und plötzlich steht Alisa Pieper vor einer schwierigen Entscheidung: Soll sie seinen Platz einnehmen?

Daraufhin wägt sie zunächst die Vor- und Nachteile ab. Auf der Pro-Seite: Selbstständig machen, die eigene Chefin sein und selbst entscheiden, wie und was man anbietet. Auf der Contra-Seite: Die Konkurrenz durch Online-Anbieter, dazu ist auch der Umgang mit Schuhanbietern nicht immer ganz einfach. Am Ende aber packt sie die Herausforderung.

Seit ihrem Einstieg haben sie die Rollen in der Firma klar festgelegt. Alisa Pieper kümmert sich vor allem um die Finanzen und das Marketing. Ihr Vater, der die meisten Vereinsvorstände persönlich kennt, macht den Verkauf und Vertrieb. Entscheidungen treffen sie gemeinsam.

Beide ergänzen sich, sagt Alisa Pieper. Manchmal sei sie zu euphorisch, dann holt ihr Vater sie zurück auf den Boden: „Und manchmal bringe ich eine neue Idee mit, an die er bisher nicht gedacht hat.” Für sie war der Kundenstamm, den ihr Vater mit aufgebaut hat, einer der Hauptgründe für ihre Entscheidung. Neu aufmachen würde sie ein Geschäft heute wahrscheinlich nicht mehr. Doch durch die langjährige Tradition sei man eng an Vereine gebunden und habe sich damit eine Nische abseits der großen Kaufhausketten und dem Onlinehandel geschaffen. Pieper ist aber auch klar: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Deshalb begann sie in der Pandemie, den Online-Shop auszubauen, über den die Vereine nun ihre Kollektion aussuchen und einkaufen können.

Einfacher wird das Geschäft auch in Zukunft nicht, das weiß Alisa Pieper ziemlich sicher. Doch an Mut und Zuversicht fehlt es ihr nicht, im April haben sie sogar noch einen weiteren Mitarbeiter eingestellt. Sie könne jedenfalls nur jedem raten, es mit der Nachfolge zumindest mal zu probieren. Zwar bedeute Selbstständigkeit viel Aufwand und mitunter wenig Freizeit am Wochenende. Aber bereut hat sie den Schritt bisher keinen einzigen Tag. „Wenn ich es jetzt nicht wage“, sagt sie, „dann wage ich es nie.“

Text: Nils Wischmeier
Fotos: Andreas Wiese

Alisia Peper wagte den Schritt in die Selbstständigkeit