Trikots müssen nicht mehr nur funktionieren, sondern sind längst zu Werbeflächen, Mode-Statements und sogar Geldanlagen geworden. Doch das war nicht immer so.
Als die Mannschaften bei der Bundesligapartieder Eintracht aus Braunschweig und des FCSchalke 04 am 24. März 1973 das Spielfeld betraten,muss es irritierte Blicke gegeben haben.Was trugen die Eintracht-Spieler da auf ihrer Brust? Einen Hirsch und ein Kreuz – nicht mehr brauchtees, um den Sport zu revolutionieren. Sponsorenlogoswaren durch den DFB zwar verboten worden,doch Jägermeister-Chef Günter Mast umgingdas, indem er dasVereinswappen derEintracht für100.000 Mark imJahr modifizierte.Und die Wappenwaren auf den Trikots erlaubt, bis maximal 14 ZentimeterDurchmesser. Zwar endete die Partie mit einem 1 : 1 unspektakulär, doch für Mast und EintrachtBraunschweig war es ein historisches 1 : 0 gegenden DFB.
Im selben Jahr sorgte Leeds United mit demTextilunternehmen Admiral in England für eineweitere Revolution: Sie übernahmen das Trikot-Design von Real Madrid, versahen es mit demNamen von Admiral und verkauften sogenannte„Replicas“ für Kinder. Merchandising war geboren,und Trikots wurden fortan nicht nur Werbefläche,sondern Modeartikel. Es waren wichtigeSchritte in der Entwicklung von Trikots zu Massenproduktenund Markenzeichen genauso wiezu Gegenständen politischer oder kulturellerStatements. Dabei dienten Trikots ursprünglichnur der Unterscheidung. Die erstenFußballregeln von1858 sahen dafürnoch farbige Mützenvor. Späterfolgten Schärpenund Hemden aus Baumwolle, oft mit wechselnden Farben je nach Gegner. Heute sind einige Vereinsfarben ikonisch: Königsblau für Schalke, Lila für Erzgebirge Aue, Schwarz-Weiß für Juventus. Manche Farben sind zum Synonym der Fußballclubs selbst geworden, wie beim FC Barcelona und „Blaugrana“.
Wer heute CR7 sagt, meint Cristiano Ronaldo.
In den Dreißigerjahren kamen Rückennummern auf und folgten zunächst festen Positionen: Torwart (1), Stürmer (9), Mittelläufer (5). Später wurden sie zu Marken – wer heute CR7 sagt, meint Cristiano Ronaldo. In den USA werden Nummern verdienter Spieler sogar in den Ruhestand geschickt und nicht mehr vergeben. In den Siebzigern wurden neben Sponsoren neue Materialien wie Polyester eingeführt. Die Kommerzialisierung und Individualisierung von Sportartikeln nahm langsam Fahrt auf. Kreative Farbkombinationen und Muster, Elemente wie Kragen und weite Schnitte gehörten nun zu den Stilmitteln der Sportmode. Nach Jägermeister folgten auch weitere Skandale um Trikotsponsoren wie den Kondomhersteller London und Sportwetten- und Glücksspielanbieter.
Immer wieder standen Trikots auch im Fokus politischer Diskussionen: Trikots mit der Nummer 44 der deutschen Nationalmannschaft, die von Neonazis wegen ihrer Ähnlichkeit mit den SS-Runen gekauft wurden, mussten aus dem Sortiment genommen werden und die pinken Auswärtstrikots der deutschen Nationalmannschaft lösten bundesweit Diskussionen über Männlichkeitsbilder aus. Logos von Punkbands wie bei St. Pauli und Fortuna Düsseldorf oder Regenbogenfarben zieren mittlerweile Trikots. Mit Karnevals- und Benefiztrikots werden Designs auch für besondere Anlässe genutzt. Dabei zeigen viele Trikots eine Rückbesinnung: Vereine bringen Vintage-Auflagen von Trikots aus den Neunzigern heraus und die Originale aus der Zeit wechseln teilweise für hunderte von Euros den Besitzer. Heute fiebern Fans der Trikotveröffentlichung entgegen wie einem Champions-League-Finale. Gelingt das Design, winken Millionen. Andernfalls verstauben sie im Lager und werden zur Ramschware.